Ruhm, Ehre und Armut – die Stuttgarter Erklärung der Regisseure

6. Juli 2017

Wir nominierten Regisseurinnen und Regisseure für den Deutschen Dokumentarfilmpreis 2017 fühlen uns geehrt, an diesem Festival mit unseren Filmen aufzutreten. Wir möchten die Gelegenheit nutzen, mit dieser Note gemeinsam das Wort an Sie zu richten.

Dieses Festival ist neu. Und wir freuen uns darüber, weil es zur Anerkennung unserer Filme beiträgt. Der Dokumentarfilm erlebt in den letzten Jahren einen außerordentlichen Boom. Festivals schießen wie Pilze aus dem Boden und Jahr um Jahr werden neue Besucherrekorde erreicht. Noch nie gab es eine so enorme Vielfalt an innovativen Erzählformen im Dokumentarfilm.

Kulturstaatsministerin Monika Grütters sagte kürzlich in einer Ansprache zur wachsenden Bedeutung des Dokumentarfilms: „Mit gründlicher Recherche, narrativem Fingerspitzengefühl und atmosphärischen Bilderwelten“ gelinge es diesem besonderen Genre der Filmkunst „dem alltäglich vorbeirauschenden Strom vielfach verstörender Informationen und Bilder ein Stück Wahrheit und Erkenntnis abzutrotzen.“

Allerdings steht die gesellschaftliche Bedeutung des Dokumentarfilms im Widerspruch zum Status, den diese Filme im Programm des öffentlich-rechtlichen Fernsehens haben – und zu unserem rauen Alltag.

Wie ist es möglich, dass dieses hochgelobte Genre im Programm der ARD kaum stattfindet? Die ARD, um nur ein Beispiel zu nennen, zeigt regulär ganze rund ein Dutzend Dokumentarfilme im Jahr. Und auch in Dritten Programmen erleben preisgekrönte Filme, internationale Festivalerfolge ihre TV-Premiere um Mitternacht. Auch die ARD-Vorsitzende und MDR-Intendantin Karola Wille betont immer wieder, wie wichtig „der genaue Blick“ ist.

Dieser genaue Blick, die intensive Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit führt nur dann zu hochwertiger Qualität, wenn entsprechend Zeit von ihren Machern investiert wird. Und wenn es für diesen Zeitaufwand eine entsprechende – faire – Honorierung gibt. Wir haben die Autoren und Regisseure der hier versammelten Filme gebeten, uns entsprechende Daten über ihren investierten Zeitaufwand zukommen zu lassen – und diesen ins Verhältnis zu ihrem Honorar zu setzen.

Das Ergebnis:

An den hier nominierten Filmen wurde von den AutorInnen und RegisseurInnen im Durchschnitt 426 Tage gearbeitet! Einschließlich Recherche, Dreharbeiten, Schnitt, Mischung etc. Die Entlohnung betrug dabei durchschnittlich pro Tag etwa 120,- Euro. Das heißt, bei einem angesetzten 10- Stundentag, einem Honorar etwas über dem Mindestlohn. Und das betrifft nicht irgendwelche Filme, sondern die besten 12 der letzten beiden Jahre.

Dieser Zustand ist nicht länger hinnehmbar.

Was wollen wir von den Sendern? Eine Umsetzung der Anerkennung des Genres auch durch höhere Budgets. Ohne dass es dann weniger Sendeplätze gibt. Sondern mehr. Das muss gewollt sein. Es geht um Umverteilung zugunsten des Genres. Nur dann wird sich etwas ändern: Das Ende der Dumping-Honorare. Und sicher werden bei fairen Produktionsbedingungen die Filme nicht schlechter…

Wir brauchen Ihrer aller Unterstützung. Es ist an der Zeit, sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen, zusammen mit den Intendanten und Programmverantwortlichen. Qualität hat ihren Preis.

Die Nominierten (in alphabetischer Reihenfolge)

David Bernet
Stefan Eberlein
Manuel Fenn
Lutz Gregor
Annett Ilijew
Valentin Kemmner
Irene Langemann
Katrin Nemec
Erol Papic
Heidi Specogna
Andres Veiel
Marcus Vetter