Eine gewisse Ratlosigkeit – Interview mit Jürgen Kleinig

30. Juni 2015

Herr Kleinig, wie läuft „10 Milliarden“?
Wir sind in der elften Woche und haben bisher 40.000 Zuschauer. Auf dem Höhepunkt waren wir in 87 Kinos. Wir können sehr zufrieden sein, ein Prädikat „Besonders wertvoll“ gab es zu unserer großen Freude auch noch. Sehr gespannt sind wir nun auf die internationale Vermarktung durch Autlook.

Das Thema scheint gut anzukommen. Hatten Sie Schwierigkeiten, den Film zu finanzieren?
Das Budget von etwa 750.000 Euro hatten wir in einem rekordverdächtigen halben Jahr zusammen. Die MDM ist mit 21 Prozent größter Einzelförderer und hat uns schon in der Entwicklung tatkräftigt unterstützt. Filmstiftung NRW, die FFA und der DFFF haben die Produktion ebenfalls gefördert.  WDR und SWR sind zügig aufgesprungen und Prokino ist als Verleih und Co-Produzent eingestiegen. Das lag zum einen am Thema, zum anderen auch an dem von uns ausgewählten Regisseur Valentin Thurn, der schon 2011 mit Taste the Waste sehr erfolgreich den verheerenden Umgang mit Lebensmitteln thematisiert hatte.

Und der MDR?
Fünfeinhalb Monate nach dem Programmvorschlag und nach vielen Nachfragen kam der überraschende Anruf einer Redakteurin, die mit Kino-Koproduktionen und solcherlei Themen nichts zu tun hat. Sie wisse nicht, warum das Thema auf ihrem Tisch gelandet sei, aber sie müsse uns von ihrer Warte aus leider absagen. Da stellt sich natürlich eine gewisse Ratlosigkeit ein. Bei SWR und WDR lief das deutlich anders, hier hatten wir zu dem Zeitpunkt längst den Vertragsentwurf auf dem Tisch. Ein interessantes Beispiel, wie unterschiedlich bei den Sendern gearbeitet wird.

Was ist denn da los?
Ich habe keine Ahnung und es interessiert mich auch nicht sehr. Wir können bei einem brandaktuellen Thema nicht monatelang auf Antworten warten. Keine Antwort bedeutet für uns kein Interesse. Dabei ist es auch unerheblich, wie die Strukturen im Haus sind. Wenn der Sender es nicht schafft, adäquate Antworten auf Anfragen zu geben, dann müssen wir unsere Themen mit anderen Sendern umsetzen.

Vielleicht war der Film nicht regional genug für einen Regionalsender.
Ein Film über die Ernährung von 10 Milliarden Menschen auf diesem Planeten ist natürlich nicht regional. Er betrifft uns alle. Klar können wir Protagonisten oder Locations in der Region einbauen, aber wir können keine international relevante Dokumentation an mitteldeutschen Themen ausrichten. Das interessiert niemanden. Da werden wir provinziell.

Der Fernsehdirektor spricht davon, er wolle die Produzenten mehr auf die „Programmphilosophie“ des MDR einstellen. Vielleicht sollten Sie das mal probieren.
Das ist meines Erachtens nicht praktikabel. Erstens sehe ich keine redaktionsübergreifende Programmphilosophie. Es heißt immer Regionalität, Regionalität, Regionalität. Das ist aber noch keine Philosophie, sondern nur eine regionale Eingrenzung. Zweitens macht sich jede Redaktion sowieso ihre eigene Philosophie. Und drittens steckt dahinter wieder diese bevormundende Einstellung: „Wir wissen, was der Zuschauer will.“ Statt Produzenten auf irgendwas einzustellen, sollte sich der MDR das kreative Potential der Region anschauen und sich daraus bedienen. Dann klappt es auch mit der Qualität und Profilierung.

Warum wollen Sie denn unbedingt mit dem MDR produzieren?
Wir haben eine große Nähe zueinander, es wäre einfach ein schönes Arbeiten. Aber übers Knie brechen können wir das nicht. Dann produzieren wir eben für andere Sender, aktuell für SWR, WDR, NDR und das ZDF. Dort werden wir übrigens häufig gefragt: Ihr kommt doch aus Leipzig, wieso ist denn der MDR nicht dabei? Dazu fällt uns zusehends immer weniger ein.